Für Bernd Nawitzky, Head of Management Systems & Safety, und Reiner Boll, Senior Safety Officer, hat die Sicherheit der Mitarbeitenden an den VTG-Standorten höchste Priorität. Was sie alles im vergangenen Jahr insbesondere in den Werken mit den Kolleginnen und Kollegen erreicht haben und wie es 2024 weiter geht, darüber sprechen die beiden im Interview.
Mehr lesenBernd, Reiner, wenn Ihr auf die vergangenen Jahre zurückblickt, was hat sich in Sachen Arbeitssicherheit bei VTG getan?
Bernd: Wir konnten die Unfallzahlen und die Lost Time Injury Frequency Rate (LTIFR), mit der die Unfallhäufigkeit angegeben wird, über die letzten drei Jahre um über 50 Prozent reduzieren. Das ist ein großer Erfolg für uns. Die getroffenen Maßnahmen waren dabei sowohl technischer als auch organisatorischer Natur – beispielsweise haben wir Trainings etabliert, die insbesondere auf ein verändertes Verhalten und eine verbesserte Kommunikation in Bezug auf Arbeitssicherheit zielten. Die LTIFR der VTG-Gruppe im Jahr 2023 betrug 11,5 Punkte und erhöhte sich im Verhältnis zu 2022 zwar leicht, aber wir sind überzeugt, dass wir langfristig erfolgreich sein werden, wenn wir unseren eingeschlagenen Weg konsequent weiterverfolgen.
Reiner: Um diese langfristige Wirkung zu erzielen, haben wir als Reaktion auf die hohen Unfallzahlen in den Werken im Jahr 2020 einen Vierjahresplan entwickelt. Damals konnten wir aufgrund der Corona-Pandemie nicht mehr reisen, also auch keine Begehungen und andere Aktionen durchführen. Dadurch gab es viel weniger Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen und manche Sicherheitsthemen sind so gar nicht erst auf den Tisch gekommen.
Die Lost Time Injury Frequency Rate (LTIFR) drückt die Unfallhäufigkeit aus. Für eine bessere Vergleichbarkeit werden dabei die Anzahl der Unfälle mit Ausfalltagen pro eine Millionen Arbeitsstunden in einem Geschäftsjahr gemessen. Bei der Berechnung werden alle Arbeitsunfälle mit mindestens einem Tag Ausfall berücksichtigt.
Bei der VTG-Gruppe lag die LTIFR im vergangenen Jahr bei 11,5 Punkten.
Welche Maßnahmen konntet Ihr im vergangenen Jahr bereits konkret umsetzen?
Reiner: Nach einem schweren Rangierunfall haben wir beschlossen, das Rangieren sicherer zu gestalten und zum Arbeitssicherheitsthema des Jahres 2023 zu machen. Rangieren gehört in den Werken zu den gefährlichsten Tätigkeiten. Ziel war es, den Einsatz von Seilwinden zu reduzieren und das Rangieren mit Gabelstaplern sowie manuelles Rangieren zu eliminieren. Dafür haben wir insgesamt mehr als eine Millionen Euro für den Kauf von unterschiedlichen neuen Fahrzeugtypen ausgegeben, die genau auf die Bedürfnisse der Werke zugeschnitten sind. Das war schon ein bedeutender Schritt und ein sichtbares Zeichen an die Mitarbeitenden.
Bernd: Unser Ziel war, in allen VTG-Werken einen einheitlichen Sicherheitsstandard zu etablieren. Eine weitere wichtige Maßnahme zur Standardisierung ist das „Near Miss-Reporting” – also das Melden von Beinaheunfällen. Das haben wir bisher in Brühl, bei Graaff und in Joigny eingeführt. In diesem Jahr sind dann auch SEMA und Želos an der Reihe.
Warum ist das Melden von Beinaheunfällen so wichtig?
Reiner: Wir wollen vermeiden, dass Unfälle überhaupt passieren. Dabei hilft es, unsichere Situationen und Handlungen frühzeitig zu erkennen, in denen es fast zu einem Unfall gekommen wäre – um gegebenenfalls Vorkehrungen zu treffen und das Arbeiten zukünftig sicherer zu machen. Deshalb legen wir Wert auf Meldungen von den Mitarbeitenden, und wir setzen Anreize wie Preise, um die Beteiligung an den Meldungen zu erhöhen. Uns geht es dabei um die Sicherheit der Mitarbeitenden in den Werken, nicht darum, Kolleginnen und Kollegen zu diskreditieren.
„Wir wollen vermeiden, dass Unfälle überhaupt passieren, deshalb setzen wir stark auf jede Art von Prävention.“
Bernd: Zusätzlich zum „Near Miss-Reporting” wollen wir in Zukunft auch Erste-Hilfe-Maßnahmen analysieren. So können wir prüfen, ob sich bestimmte Vorfälle häufen. Auch das Housekeeping, das Aufräumen der Werke und Werkstätten, spielt eine große Rolle – wenn das Arbeitsumfeld aufgeräumt und ordentlich ist, verbessert das die Arbeitssicherheit am Arbeitsplatz. Zudem überlegen wir immer, ob es spezifische Bereiche gibt, in denen wir gezielt Maßnahmen ergreifen können, um das Verletzungsrisiko weiter zu reduzieren.
Wie treibt Ihr das Thema Arbeitssicherheit bei VTG generell voran?
Reiner: Wir versuchen, alle ins Boot zu holen. Es geht um den Dialog, damit sich alle aktiv einbezogen fühlen und sich Fehler nicht wiederholen. Wir haben gelernt, dass Maßnahmen, die die Kolleginnen und Kollegen in den Werken selbst entwickeln, eher eingehalten werden als bloße Vorgaben. Im Zuge der Sicherheits-Kampagne „CERO” haben wir insbesondere alle Führungskräfte in den Werken sensibilisiert, denn sie sind in ihrer Vorbildfunktion die treibende Kraft und zeigen, dass Arbeitssicherheit in den Werken täglich gelebt wird.
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Bernd: Diese Kultur des Dialogs verkörpert auch unser neuer CEO, Alberto. Ihm ist der direkte Austausch des Managements mit den Mitarbeitenden wichtig. Er war bereits bei SEMA, um sich einen Eindruck zu verschaffen und mit den Kolleginnen und Kollegen vor Ort ins Gespräch zu kommen. Gezielt auf die Mitarbeitenden zugehen und eine stärkere Präsenz vor Ort zeigen – das ist etwas, dass wir in den nächsten Jahren im Führungskreis vorantreiben wollen.
Seit 2020 gehört auch Želos in der Slowakei zur VTG – wie hat sich das Thema Arbeitssicherheit dort entwickelt?
Bernd: Der neue Werksleiter Vojtech Čepec hat bedeutende Verbesserungsmaßnahmen vorangetrieben. Wireless Hebeanlagen, moderne Schweißausrüstungen und ergonomische Drehgestell-Tische wurden gekauft, sowie Safety Boards in den Hallen installiert. Auch die Lackieranlage ist nun deutlich sicherer – zuvor musste der Kesselwagen noch mit Leitern lackiert werden und das in voller Schutzkleidung. Jetzt gibt es beidseitig Hubbühnen, die vertikal und horizontal fahren können und so die Kolleginnen und Kollegen beim Lackieren vor einem Absturz schützen. Investiert wurde zusätzlich in neue Arbeitskleidung, eine neue Kantine, neue Duschen und Aufenthaltsräume.
Reiner: Auch in die Errichtung der ersten Höhensicherungsanlage wurde vergangenes Jahr investiert. Diese Anlage ermöglicht den Mitarbeitenden ein sicheres Arbeiten auf den Kesselwagen. Das haben wir in anderen Werken schon gelöst und nun haben wir damit auch bei Želos angefangen. In diesem Jahr werden noch zwei weitere Anlagen zur Sicherung installiert, mit dem Ziel, diese Gefahrenquelle bis Ende 2024 zu beseitigen.
Wenn Ihr nochmal auf das vergangene Jahr schaut, was war herausfordernd für euch?
Bernd: Nachdem es uns allen in den letzten zwei Jahren gelungen ist, die Unfallzahlen deutlich zu reduzieren, bestand die Herausforderung insbesondere darin, das Bewusstsein für das Thema bei allen Kolleginnen und Kollegen hochzuhalten. Wir haben bereits viele technische Maßnahmen ergriffen, nun liegt der Fokus darauf, eine Sicherheitskultur zu schaffen, gemäß unserem Motto „Safety takes us home”.
„Wir wollen und werden beim Thema Arbeitssicherheit alle ins Boot holen, denn nur wenn alle als Team an diesem Thema arbeiten, werden wir langfristig erfolgreich sein.“
Reiner: Gerade zu Beginn eines neuen Jahres haben wir aufgrund von Unachtsamkeiten immer wieder mit einer Häufung von Arbeitsunfällen zu kämpfen. Das wollten wir dieses Jahr verhindern. Beispielsweise wurden die Mitarbeitenden direkt am ersten Arbeitstag sensibilisiert und Sicherheitskarten mit den wichtigsten Regeln verteilt. Zudem haben wir ein Gewinnspiel eingeführt: In den Werken wurde eine Sicherheitsbank aufgestellt, an der verschiedene Fehler versteckt waren. Die Mitarbeitenden sollten die Fehler finden und diskutieren, um so ihr Bewusstsein für Arbeitssicherheit zu stärken. Gleichzeitig konnten die Kolleginnen und Kollegen dazu noch einen attraktiven Preis gewinnen, wie einen Tankgutschein oder Sonderurlaub.
Was waren Eure persönlichen Highlights im vergangenen Jahr?
Reiner: Das „Together for Safety”-Treffen der Sicherheitsfachkräfte, bei dem wir monatlich virtuell und quartalsweise persönlich zusammenkommen. Im vergangenen Jahr waren auch die Kolleginnen und Kollegen aus Frankreich mit dabei und dieses Jahr wird auch Želos eine Sicherheitsfachkraft stellen. So können wir eine Strategie und ein gemeinsames Vorgehen entwickeln, mit dem Ziel einheitlicher Sicherheitsstandards an den Standorten.
Bernd: Mich hat gefreut, dass sich die Zusammenarbeit auf Geschäftsleitungsebene und in den Werken positiv entwickelt hat. Es gibt insgesamt einen verbesserten Dialog und den Austausch von Best Practice-Beispielen. Das Silodenken der Vergangenheit wurde durch die Beteiligung der Werksleiter durchbrochen. Das zeigt sich in vielen Meetings und Gesprächen und stärkt die Sicherheitskultur, den Dialog und die Zusammenarbeit auf allen Ebenen.